Natur und Übernatur 4
Sinn und Verstand – Synthese bei Kant
Wer hat nun Recht – die Empiristen (also Locke und Bacon) oder die Rationalisten (Descartes und Leibniz)? Antwort: Beide. Nicht nur gucken, nicht nur grübeln – Erkenntnis braucht beides: Sinn und Verstand. Meint zumindest Immanuel Kant.
Mit Kants bahnbrechender Synthese in der Kritik der reinen Vernunft (#Affiliate-Link/Anzeige) ist das Ergänzungsverhältnis von Sinn und Verstand auf höchster erkenntnistheoretischer Ebene beschrieben worden. Die berühmte Stelle lautet: „Unsre Natur bringt es so mit sich, daß die Anschauung niemals anders als sinnlich sein kann, d. i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen afficirt werden.
Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand. Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es eben so nothwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen), als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe zu bringen). Beide Vermögen oder Fähigkeiten können auch ihre Functionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntniß entspringen“ (AA III, 52).
Wir brauchen also als eine Bedingung von Erkenntnis ein Begriffssystem, mit dem wir die Sinneserfahrung deuten können; gleichwohl müssen wir diese zuvor machen.
Noch einmal Kant: „Zur Erkenntniß gehören nämlich zwei Stücke: erstlich der Begriff, dadurch überhaupt ein Gegenstand gedacht wird (die Kategorie), und zweitens die Anschauung, dadurch er gegeben wird“ (AA III, 109).
Urteilen bedeutet demnach zunächst einmal, sich der Bedingungen des Mechanismus’ der durch Subsumtion von Sinneseindrücken unter begriffliche Kategorien erfolgenden Erkenntnisgewinnung bewusst zu werden.
Wieder Kant: „Die Analytik der Grundsätze wird demnach ein Kanon für die Urteilskraft sein, die sie lehrt, die Verstandesbegriffe, welche die Bedingungen zu Regeln a priori enthalten, auf Erscheinungen anzuwenden“ (AA III, 133).
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