Was ist Schönheit? Warum ist schön sein wichtig?
Was ist schön (sein)? Die Flut an attraktiven Menschen in den Medien & auf Social Media lässt an Perfektion denken. Wenn es nach der Philosophie geht, hat Schönheit jedoch weniger mit dem äußeren Erscheinungsbild zu tun. Doch warum ist äußere Schönheit dann so wichtig?
Was ist schön?
Was ist Schönheit, ist eine alte Frage der Philosophie. Und ist bzgl. Social Media von großer Bedeutung für die Psyche!
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1) Das Erbe der Geschichte: schön ist ethisch gut
2) Gibt es universelle Schönheitskriterien?
2.1 Immanuel Kants „ästhetische Normalidee“3) Schönheit als Glücksversprechen
3.1 Vorteile von Schönheit (Halo-Effekt)4) Schönheitsempfinden hängt vom Umfeld ab
5) Schönheit als gesellschaftlicher Wert
5.1 Medien & das Alltagsempfinden
5.2 Statistische Vorteile der Schönheit6) Fazit: Was ist Schönheit?
Schönheit als Norm
Schönheit kommt von innen. Die meisten würden dem Sinnspruch zustimmen und unterliegen dennoch dem gewaltigen Normierungsdruck, was den eigenen Körper & seine Schönheit betrifft.
Schön sein, bezeichnete in der Antike das innere Gut-sein eines Menschen. Seine ethische Vortrefflichlichkeit. Damals gab es das Ideal der „kalokagathia“ (das „Schöngute“), eine körperliche und geistige Vollkommenheit.
Bis zur Neuzeit wurde das Schöne mit Symmetrie & Harmonie in Verbindung gebracht. Und heute?
Auch jetzt fasziniert uns Schönheit
Aber nicht die platonische Schönheit, sondern eine äußerliche. Allerdings haftet dieser etwas Oberflächliches, Geistloses und Scheinhaftes an.
Gleichzeitig will aber jeder schön sein und eifert den gesellschaftlichen Trends auf die ein oder andere Weise nach.
Aber worin liegt jetzt der große Wert der Schönheit?
Vgl. auch: Was ist Philosophie?
Evtl. auch interessant für dich: Jenny Marx, Harriet Taylor Mill, Mary Wollstonecraft, Virginia Woolf
Musst man leiden, um schön zu sein? Macht Dich erst Liebe schön? Oder hat wahre Schönheit vielleicht gar nichts mit Deinem Selbst zu tun?
Fest steht jedenfalls: Der soziale Druck einer normierten Schönheit erreicht heute mehr Menschen denn je & prägt sie auch. Und das in einer modernen Zeit, in der Normen angeblich immer unwichtiger werden und #Diversity gefragt ist.
Was ist Schönheit?
Kommt ganz darauf an, wen Du fragst. Auf die Frage lässt sich nämlich nur antworten:
„Es gibt kein allgemein gültiges "Rezept" für Schönheit, wenn man darunter historisch konstante und kulturell übergreifende Auffassungsweisen versteht.
Jede geschichtliche Epoche und jeder Kulturkreis, die abendländische wie die fernöstliche Welt, verfügt über je eigene Schönheitsvorstellungen.“ (Otto Penz, 17)
Geht es nach der Psychologie, ist Schönheit eine Eigenschaft, die eine angenehme Wahrnehmung von Zufriedenheit, Glück & Genuss bietet.
Schönheit in der experimentellen Ästhetik
Inzwischen gibt es übrigens eine Schönheitsforschung, die das ganze Phänomen Schönheit untersucht: die experimentelle Ästhetik. Die setzt menschliche Schönheit mit physischer Attraktivität gleich. Allgemeingültige Schönheitsmerkmale sind demnach
Jugendlichkeit,
faltenfreie Haut,
Durchschnittlichkeit,
Symmetrie,
bei Frauen ein Kindchen-Schema-Gesicht & ein Hüft-Taillen-Verhältnis von 0,7
Schönheit in der Soziologie
Soziologen betrachten Schönheit in Bezug auf gesellschaftliche Werte als Konvention. Demnach ist jemand schön, der oder die bestimmte Eigenschaften verkörpert, die innerhalb der jeweiligen Kultur als Perfektion gelten.
Schönheit in der Philosophie
In der Philosophie gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze, die ebenfalls von menschlichen Werten ausgehen. Der älteste Ansatz stammt vom platonischen Sokrates: Demnach ist äußerliche Schönheit nichts anderes als ein Abglanz des Wahren & Guten – etwas, das das Körperliche weit übersteigt und Erfüllung bietet.
Schön ist ethisch gut
Das Erbe der Philosophie-Geschichte
Wissenschaftler haben längst einige Kriterien aufgestellt, die die Schönheit eines Menschen bestimmen.
Dazu zähle auch bestimmte Proportionen im Gesicht, volles Haar, wenig Körperfett etc.
Auch wenn das nach modernen Schönheitswahn klingt, solche Versuche gab es schon vor über 2000 Jahren.
Auch die Pythagoreer wollten die Wirklichkeit in mathematischen Gleichungen erfassen. Sie stellten Rechnungen auf – für vollkommene Musikstücke, perfekte Tempelbauten und ideale menschliche Körper.
Früher wie heute: Wer schön ist…
wird für besonders intelligent, erfolgreich, vertrauenswürdig und glücklich gehalten. Das hat wohl mehrere Gründe.
Sicher ist jedenfalls, dass auch hier noch die Tradition der antiken Philosophie nachwirkt: Das Gute & Schöne ist spätestens seit Platon als unzertrennbare Einheit gedacht.
Dennoch ging es philosophisch nie um eine einfache Entsprechung von Äußerem & Innerem, auch wenn diese Ästhetik gerne als Ideal angesehen wurde. Selbst eine gnomenhafte, knollnasige Gestalt wie Sokrates besaß wahre Schönheit durch Weisheit.
Gibt es universelle Schönheitskriterien?
Immanuel Kants „ästhetische Normalidee“
Trotzdem: Kann es nicht doch irgendwas an der Schönheit geben, das uns alle anzieht? Etwas Allgemein-Schönes, das in allen schönen Menschen oder Dingen vorhanden ist?
Kant war einer der ersten, der betonte, dass Schönheit nicht auf mathematische Belege angewiesen ist.
Seine Überlegungen zur „ästhetischen Normalidee“ sind nicht nur originell, sondern auch recht aktuell. Im 18. Jh. schrieb er von einer allgemeinen Vorstellung von Schönheit, die dadurch zustande käme, dass „die Einbildungskraft eine große Zahl an Bildern aufeinanderfallen lässt.“
Interessant. Auf diese Weise arbeiten heute Computer-Simulationen, die aus verschiedensten Schönheiten ein Durchschnitts-Gesicht als Normschönheit kreieren.
Schönheit als Glücksversprechen
Doch warum fasziniert Schönheit so? Warum wollen wir schön sein?
Die Evolutionspsychologie hat eine eindeutige Antwort parat: in glänzenden Haaren, attraktiven Körpern und schöner Haut zeigen sich gute Gene zur Fortpflanzung und Arterhaltung.
Aber so ganz befriedigt diese biologische Erklärung nicht. Und sie kann auch nicht erklären, warum ich (theoretisch) einen knollnasigen Sokrates attraktiver finde als einen Orlando Bloom.
Zudem handelt es sich um eine neue Theorie, die übrigens von einigen Studien widerlegt wurde (4). Der Vater der Evolutionstheorie, Darwin himself, sah übrigens einen lockeren Zusammenhang zwischen Schönheit und Gesundheit.
Warum fahren wir so sehr auf Schönheit?
Einige Philosophen & Psychologen knüpfen an Platon und Hegel an, um diese Frage zu beantworten. Schönheit verweist damit auf etwas anderes, etwas viel Wichtigeres. Alain Botton zum Beispiel glaubt, es geht um ein ideales Leben oder einen perfekten Lebensstil, der sich in der Schönheit sinnlich verdichtet.
Mit den Worten des französischen Literaten Stendhal gesagt: “Schönheit ist ein Versprechen von Glück”
Vorteile von Schönheit (Halo-Effekt)
Schöne Kinder & Jugendliche erhalten bessere Noten
Schöne Menschen bekommen im Durchschnitt ein höheres Gehalt
Schöne Kinder erfahren mehr Zuneigung
Schöne Personen werden für glücklicher gehalten
Schöne werden erfolgreicher eingeschätzt
Schöne Menschen wirken klüger
Schönheiten erhalten mehr Aufmerksamkeit
Schönen wird schneller & mehr vertraut
Schönheitsempfinden hängt vom Umfeld ab
„Menschen beurteilen Schönheit im Kontext von sozialen Vergleichen, das heißt wir passen unser Schönheitsempfinden an unser Umfeld an. (…)
Menschen verändern ihre Wahrnehmung sehr schnell, wenn sich ihre Vergleichsgruppe ändert.
Da spielen heute auch die Medien eine große Rolle, die uns mit anderen Schönheitsidealen konfrontieren.“ (Dr. Penke, 1)
Schönheit als Statussymbol
So subjektiv und kontextabhängig Schönheit auch ist, eins ist heute offensichtlich: Du wirst von den Medien zur Selbstoptimierung von Körper & Ethik aufgerufen.
"Schönheit ist machbar (…) Nichts muss echt sein, aber es soll echt aussehen." (Schönheitsforscherin Dr. Ruck, 1)
Forschern ist auch aufgefallen, dass eine Gesellschaft mit gutgehender Wirtschaft ein schlankeres Frauenideal hat, als eine der es nicht so gut geht.
Innerhalb einer Wohlfahrtsgesellschaft gibt es außerdem noch mal eine Differenzierung: Während in einkommensschwachen Bevölkerungsschichten der Körperkult regelrecht zur Schau gestellt wird (Solarium-Bräune, auffällig designte Fingernägel), setzen einkommensstarke Milieus auf gekünstelte Natürlichkeit.
Schönheit als gesellschaftlicher Wert
Schönheit als Wert zu definieren, hat lange Tradition. Eben spätestens seit Platon ist Schönheit moralisch aufgeladen (Halo-Effekt).
Schön sein ist heute aber noch einmal von besonderer Bedeutung:
„Man macht sich schön, da in jedem sozialen Kontext Wohlbefinden und Selbstsicherheit damit verbunden wird. Dieses Wohlbefinden und die Selbstsicherheit benötigen wir für unser gesellschaftliches Impressionsmanagement.
Sie gelten als Ausdruck einer erfolgreichen Persönlichkeit, denn sie lassen alltagsphilosophische Rückschlüsse über den sozialen Status, den beruflichen Erfolg und die körperliche Leistungsfähigkeit zu. Sie entscheiden letztendlich über Antipathie und Sympathie.
Körperliche Attraktivität spielt in unserer Kultur eine große Rolle, da sie als Faktor des persönlichen Erfolges interpretiert wird.“ (Kobald, 20)
1) Medien & das Alltagsempfinden
In den Medien werden schöne Menschen unverhältnismäßig oft dargestellt. Und Medien sind in unserem Alltag ständig präsent. Jeden Tag werden wir von Bildern hübscher Menschen überflutet, so dass wir uns diesem Einfluss oft nicht entziehen können.
So wirkt es auf den Einzelnen, als sollte äußerliche Schönheit etwas Selbstverständliches sein.
Da sie das aber nicht ist, entsteht sozialer Druck & Unzufriedenheit.
2) Statistische Vorteile der Schönheit
Außerdem haftet schönen Menschen die Vorstellung an, dass sie es wesentlich leichter im Leben haben.
Studien belegen das sogar und verbreiten die Botschaft Jahr für Jahr aufs Neue.
Schönheit verspricht unserer Psyche tatsächlich ein besseres, glücklicheres Leben.
Fazit: Was ist Schönheit?
Körperliche Schönheit ist immer vom Zeitgeschmack und gesellschaftlichen Konventionen abhängig.
In der Geschichte wurde Schönheit immer wieder mit Harmonie & Proportionen gleichgesetzt. Das setzt sich in der heutigen Attraktivitätsforschung fort, die mathematische Schönheitskriterien ermittelt.
Hinter der Sehnsucht nach äußerlicher Schönheit steckt aber mehr: In unserer Leistungsgesellschaft wird körperliche Schönheit mit Glück & einem sinnvollem Leben gleichgesetzt. Darum erscheint sie heute vielen Menschen als so wichtig.
Diese propagierte, äußerliche Schönheit führt allerdings nicht zum Glück, wie wir ebenfalls wissen.
Platon hat mit seiner Definition von Schönheit ein großes Stück Lebenswirklichkeit angesprochen: Wir wollen die wahre Schönheit hinter der Erscheinung, nicht die Erscheinung.
Wenn wir uns das immer wieder bewusst machen, können wir uns dem sozialen Druck vielleicht entziehen. Zumindest ein bewusster Umgang mit den Medien ist notwendig. Vgl. Digitale Medien & Gehirn – Was macht das Internet mit uns?
Quellen:
1) Friederike Invernizzi: Was ist eigentlich "schön"? (Forschung & Lehre)
2) Marianna Lieder: Was macht uns schön? (Essay)
3) Matthias Warkus: Was ist Schönheit?
4) Annika Erbach: Schönheit
5) Gábor Paál: Hirnforschung – Was ist "schön" im Unterschied zu "attraktiv"?
6) Stefan Huber: Das Leben ist schön! (Interview mit Philosophin Cornelia Mooslechner-Brüll)
7) Kerstin Schmidt: Schönheit – wann ist ein Mensch schön?
8) Verena Muntschick: Status Schönheit: Unnatürlich natürlich
9) Yves Bossart: Das Rätsel der Schönheit
10) Angela Fischer: Attraktivitätsforschung – Kann man Schönheit messen?
11) Barbara Fohringer: Schönheit ist kompliziert
12) Ralf Rättig: Was ist Schönheit , Herr Eco?
13) J. Brustkern et al.: Facial threat affects trust more strongly than facial attractiveness in women than it does in men (Studie 2021)
14) Aenne A Birelmann et al: Aesthetics (2018)
15) Institut für Zukunft der Arbeit: Attraktivität zahlt sich aus im Berufsleben (Studie 2015)
16) PSYLEX.de: Frau mit Übergewicht für den Mann attraktiv (2004)
17) Otto Penz: Schönheit definiert sich kulturell
18) Lisa Katharin Schmalzried: Menschliche Schönheit im Alltag und in der Philosophie
19) René Aguigah: Was das Schöne sei
20) Roland K. Kobald: Zur Philosophie der Schönheit im 21. Jahrhundert – oder die Ökonomie des Impressionsmanagement
21) Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik
22) Platon: Symposion